Fünf junge Männer zwischen 22 und 27 Jahren planen ihren gemeinsamen WG-Feierabend in einer Wohnung im Gebäude der Campusfiliale am Sedanplatz: Was wollen wir kochen? Lust auf Musik? Wer kommt am Freitag mit zum Tanzen? Es könnte ein Abend in einer der benachbarten Studenten-WGs sein. Wenn da nicht die Assistenten wären, die dem Fünfer- und bald Sechser-WG-Team helfen, sein Leben in der Wohngemeinschaft selbstbestimmt zu gestalten.
Denn die Bewohner der Wohngemeinschaft haben alle einen so hohen Unterstützungs- und Pflegebedarf, dass sie nicht alleine leben können. Immer, wenn sie zu Hause sind, ist auch eine Assistenz vor Ort – Tag und Nacht. „Das ist genau die Lösung, die wir seit Jahren für unsere Kinder gesucht haben“, erklärt Manfred Müller im Namen der Elterninitiative innerhalb der Lebenshilfe Osnabrück, die die am 1. Oktober gestartete WG ins Leben gerufen hat. „Unsere Söhne sind selbstständig genug, um nicht in einer stationären Einrichtung zu leben, benötigen aber mehr Unterstützung als eine stundenweise ambulante Assistenz.“
Damit spricht Manfred Müller vielen Eltern heranwachsender Kinder mit Behinderung aus der Seele. „In unsere Beratung kommen viele Eltern und junge Erwachsene, die nach einer passenden Wohnperspektive suchen“, weiß Claudia Meyer, Leiterin der ergänzenden unabhängigen Beratungsstelle (EUTB) der Osnabrücker Lebenshilfe. Der Selbsthilfeverein für behinderte Menschen und deren Angehörige ist froh, starke Partner in Osnabrück gefunden zu haben, um die Fünfer- und bald Sechser-WG an der Ecke Natruper Straße/Springmannskamp zu realisieren – an allererster Stelle die Sparkasse Osnabrück.
Gemeinsam für eine etwas andere WG am Sedanplatz: (V.l.) Dr. Peter Langer (HHO), Magret Gödecker (HHO), Manfred Müller (Lebenshilfe), Claudia Meyer (Lebenshilfe), Johannes Hartig (Sparkasse), Johannes Baune (Stephanswerk) und Thomas Schmidt-Benkowitz (Lebenshilfe).
Die Sparkasse hatte die in die Jahre gekommene Filiale nahe dem Hochschulcampus am Westerberg an gleicher Stelle komplett neu gebaut. Entstanden ist ein Gebäudekomplex mit Wohnungen oberhalb der Filiale. „Ursprünglich hatten wir hier WGs ausschließlich für Studenten vorgesehen“, erläutert der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Osnabrück, Johannes Hartig. „Der an uns herangetragene Vorschlag, Räume für eine selbstbestimmte WG anzubieten, hat uns dann sofort überzeugt.“ Insbesondere die Nachbarschaft zu den Studierenden-WGs mache das Vorhaben zu einem bedeutenden Stück gelebter Inklusion. Verwaltet und vermietet werden die Räume durch das Stephanswerk, das sich ebenfalls äußerst kooperativ zeigte, als die Lebenshilfe als Mieter auf die Verantwortlichen zukam: „Wir freuen uns, dass wir diese etwas andere WG mit unserem Know-how unterstützen können“, betont Stephanswerk-Geschäftsführer Johannes Baune.
Die Assistenzleistungen liegen in der Verantwortung der Heilpädagogischen Hilfe Osnabrück (HHO). „Wir sind hier mit Mitarbeitenden der Ambulanten Assistenz, aber auch mit dem Pflegedienst und dem Dienst für Haushaltsnahe Dienstleistungen vertreten“, erklärt Margret Gödecker, stellvertretende Leiterin der HHO Wohnen gGmbH. „Außerdem haben wir den Eltern und Bewohnern in der Vorbereitungszeit beratend zur Seite gestanden und werden sie auch in Zukunft gerne begleiten.“ Noch verbringen die jungen Erwachsenen die Wochenenden bei ihren Eltern. „Es ist ein Abnabelungs-Prozess für beide Seiten. Aber wir können jetzt langsam loslassen“, erklärt Manfred Müller. Bald werden die Söhne auch samstags und sonntags in der WG bleiben, das WG-Team plant zudem erste gemeinsame Ausflüge. Der gemeinsame Alltag klappt nach mehr als einem Monat schon nahezu reibungslos, wie auch die Assistenten bestätigen. „Erstaunlicherweise packen alle freiwillig im Haushalt mit an“, lacht Manfred Müller.
Gemeinsamer Blick in ein WG-Zimmer: (V.l.) Claudia Meyer (Lebenshilfe), Dr. Peter Langer (HHO) und Magret Gödecker (HHO).
Alle vier Partner – die Lebenshilfe, die Sparkasse Osnabrück, das Stephanswerk und die Heilpädagogische Hilfe – hoffen nun auf einen Nachahmungseffekt. „Solch großartige Projekte leben von einem besonderen ‚Wir-Gefühl‘“, betont der stellvertretende Vorsitzende der Lebenshilfe Osnabrück, Thomas Schmidt-Benkowitz. Es brauche starke regionale Partner mit einem gemeinsamen Verständnis für Teilhabe und Inklusion. „Genau das zeichnet dieses Projekt mit seinem Vorbild-Charakter aus“, ergänzt Dr. Peter Langer, Vorsitzender des geschäftsführenden Vorstandes der Heilpädagogischen Hilfe. Es sei eben ein etwas anderes Projekt und eine etwas andere Partnerschaft – so wie es auch eine etwas andere WG ist. „Und damit ist es eine wunderbare Alternative und Ergänzung zu den anderen bereits von der HHO angebotenen Wohnformen.“ Alle Beteiligten hoffen, dass es nicht bei dieser einen selbstbestimmten WG in der Stadt Osnabrück bleibt, sondern weitere folgen.
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