26.11.2020

Mein Leben - Teil 2

Nach ihrem ersten Artikel schreibt Julia Sass nun über ihre Erfahrungen in und mit der Corona-Krise

Corona-Krise: Drei Monate allein zuhause

Der erste Schock war, als ich einen Anruf von der Ambulanten Assistenz bekam und man mir sagte, dass die Betreuerinnen nicht mehr kommen dürfen. Ich musste dann wochenlang ganz alleine klarkommen. Der zweite Schock war, als ein weiterer Anruf kam und man mir sagte, dass ich nicht mehr arbeiten darf. Das war deshalb, weil ich als Mensch mit Behinderung gefährdeter bin. Außerdem zählt mein Arbeitsbereich offiziell zur Werkstatt und alle Menschen mit Behinderungen mussten zuhause bleiben. Könnt ihr euch vorstellen, wie das ist, wenn man 3 Monate zuhause bleiben muss? Nicht weil man krank ist, sondern weil das vorgeschrieben ist. Es war auch nicht sicher, ob es eine Notbetreuung geben wird. Für mich ist in dem Moment eine Welt zusammengebrochen. Ich habe nicht verstanden, warum die angestellten Mitarbeiter arbeiten und wir, die Leute mit Behinderung, nicht arbeiten durften. Das hat mich traurig gemacht.

Aktiv gegen die Einsamkeit

Ich habe dann angefangen Briefe zu schreiben. Auch an Franz Haverkamp von der Lebenshilfe habe ich geschrieben. Ich habe dann Post bekommen von der Lebenshilfe Osnabrück. Die haben gefragt, wie es mir in der Krise geht. Dann habe ich denen geantwortet und alles erzählt. Daraufhin hat mich eine nette Frau von der Lebenshilfe angerufen und seitdem telefonieren wir regelmäßig. Die Zeit war sehr schwierig für mich. Erst war ich die ganze Zeit allein. Meine Eltern haben sich Sorgen gemacht. Sie haben gesagt, dass ich über die Notbetreuung in der Werkstatt nachdenken soll. Das wollte ich zuerst nicht, weil mich da so viel an meinen verstorbenen Partner erinnert. Sie haben auch gesagt, dass ich einmal die Woche mit einer Betreuerin spazieren gehen soll. Das habe ich dann auch gemacht. Ansonsten bin ich die ganze Zeit zuhause geblieben, war mal auf meinem Balkon oder bin einkaufen gegangen. Ende April bin ich dann aber doch in die Notbetreuung in die Werkstatt gegangen. Die Arbeit dort war neu für mich. Deshalb habe ich die einzelnen Arbeitsschritte fotografiert. Damit ging das Arbeiten ganz gut.

Mein Leben - Teil 2: Julia Sass (1)
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Mein Leben - Teil 2: Julia Sass (1)

Mein Leben - Teil 2: Julia Sass (2)
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Mein Leben - Teil 2: Julia Sass (2)

Mein Leben - Teil 2: Julia Sass (3)
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Mein Leben - Teil 2: Julia Sass (3)

Mein Leben - Teil 2: Julia Sass (4)
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Mein Leben - Teil 2: Julia Sass (4)

Der erlösende Anruf

Eines Tages, nachdem ich ungefähr zwei Monate in der Notbetreuung war, kam ein Anruf. Das war der Anruf, auf den ich so lange gewartet habe. Endlich durfte ich wieder im Supermarkt arbeiten. Wenn ich das will. Das Witzige war, dass ich am selben Tag noch geweint habe, weil ich endlich mein altes Leben zurückhaben wollte. Vier Stunden später kam dann der Anruf. Ich war erst geschockt und hab mich dann gefreut. Dann hat man mir erklärt, dass man im Laden die ganze Zeit einen Mund-Nasen-Schutz tragen muss, und ich darüber nachdenken soll, ob ich mir das zutraue. Ich bekomme oft Kopfschmerzen und es kann sein, dass das mit dem Tragen der Maske schneller passiert. Man bekommt mit der Maske nämlich nicht so viel Luft. An einem Tag habe ich dann ausprobiert, wie das ist mit Mund-Nasen-Schutz zu arbeiten. Die Kollegen haben mir erklärt, wie die Regeln sind und worauf ich zu achten habe. Das hat alles gut geklappt und ich habe mich dann entschieden, trotz Corona, wieder zu arbeiten. Ich war sehr glücklich, weil ich nicht nur wieder arbeiten, sondern auch meine Betreuerinnen wiedersehen durfte. Seitdem geht es mir wieder richtig gut. In der Zeit als ich nichts machen durfte, hatte ich andauernd Kopfschmerzen und Migräne. Dass ich nicht arbeiten durfte, war sehr belastend für mich. Jetzt habe ich kaum noch Kopfschmerzen.

Mein Leben - Teil 2: Julia Sass (5)
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Mein Leben - Teil 2: Julia Sass (5)

Mein Leben - Teil 2: Julia Sass (6)
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Mein Leben - Teil 2: Julia Sass (6)

Die gute Seite der Krise

Trotz der ganzen Krise habe ich viele neue Freunde gefunden. So habe ich ja zum Beispiel den Kontakt zur Lebenshilfe bekommen. Der Kontakt zu meinen Eltern hat sich verändert, wir telefonieren häufiger miteinander und meine Eltern machen sich nicht mehr so viele Sorgen um mich. Das freut uns gegenseitig. Ich bin dann gemeinsam mit einer Freundin auf die Idee gekommen meine Geschichte aufzuschreiben. Das war so: Ich habe gesagt, dass ich schon so viel erlebt habe, da könnte man Bücher darüberschreiben. Da hat sie gesagt: „Dann mach das doch!“ Ich habe dann direkt angefangen zu schreiben. Und meine Freundin unterstützt mich manchmal dabei. Das macht uns beiden richtig Spaß.

Den ersten Artikel von Julia Sass gibt es hier.

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