Die Eltern brauchen Zeit zum Durchatmen, für Erledigungen oder für sich als Paar; die Geschwisterkinder freuen sich darüber, ihre Eltern mal ganz für sich zu haben; und die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit Behinderung haben die Chance, unabhängig von ihren Angehörigen neue Erfahrungen zu sammeln. Kurz: Der Familienentlastende Dienst der Lebenshilfe Osnabrück (FED) ist ein Segen für die ganze Familie. In diesem Jahr wurde er 30 Jahre alt.
Immer mittwochs geht´s ins Schwimmbad. Für Lisa* ein Highlight der Woche: „Sie ist dann ganz entspannt und fröhlich“, erklärt die Mutter der schwer mehrfachbehinderten 12-Jährigen. Sie selbst hat dann Zeit, um sich vom anstrengenden Alltag, der geprägt ist von schlafarmen Nächten, Besuchen bei Physio-, Logo- und Ergotherapeuten, Ärzten und Rehatechnikern aber auch von endlosen Briefwechseln mit Kostenträgern im Kampf um Hilfsmittel oder Therapien. „Der FED hilft uns sehr. Diese Stunden sind für uns alle so wichtig. Auch, weil wir gelernt haben, loszulassen. Wir sehen aber auch, dass es Lisa gut tut. Und wir können den Mitarbeitern vom FED vertrauen.“
Lisas Mutter spricht damit vielen Betroffenen aus der Seele: In 420 Familien in Stadt und Landkreis Osnabrück begleitet der FED die Angehörigen mit Behinderung, meist stundenweise, bei Bedarf aber auch länger. 600 Ehrenamtliche arbeiten derzeit für den FED; 19.342 Einsätze hatten sie 2017; der überwiegende Anteil der Ehrenamtlichen – etwa 95 Prozent - kommt aus sozialen Berufen oder Studiengängen, wie Heilerziehungspfleger, Erzieher oder Sozialpädagogen. Sie begleiten Kinder und Erwachsene zu Sport- und Freizeitveranstaltungen, übernehmen ihre Betreuung zu Hause und verschaffen den Angehörigen so ein paar Stunden Zeit für sich oder die Geschwisterkinder.
Auch wenn inzwischen die meisten Kinder ganztägig beschult werden, ist diese Zeit nötig, denn auch die Situation der Eltern – vor allem der Mütter – unterscheidet sich wesentlich von der vor 30 Jahren: „Damals blieben die Frauen zu Hause, um sich ganz auf die Betreuung des behinderten Kindes zu konzentrieren – das entsprach den gesellschaftlichen Vorstellungen der Zeit“, erinnert sich Annette Pieper, die den FED vor 30 Jahren mit aufgebaut hat und bis heute leitet. „Heute gehen die meisten Mütter arbeiten.“ Deshalb sei die Unterstützung durch den FED wichtig für die ganze Familie: „Die Paare haben Zeit für sich, für Erledigungen aber auch für gemeinsame Unternehmungen. Und sie haben Zeit für die Geschwisterkinder, deren Bedürfnisse oft ganz andere sind, und die manchmal zu kurz kommen. Deshalb profitiert die ganze Familie vom FED.“
Das gelte auch für die begleiteten Personen: „Sie lernen neue Menschen kennen und machen oft ganz neue Erfahrungen. Viele werden selbstbewusster und selbständiger. Unsere Ehrenamtlichen, die früher eher als ‚Babysitter für alle Altersgruppen‘ verstanden wurden, sind heute Inklusionsbegleiter im Freizeitbereich“, beschreibt Annette Pieper den Wandel.
Das weiß auch die Ahoi-Crew 05, Fanclub des Fußballbundesligisten SV Werder Bremen in Osnabrück. Dessen 106 Mitglieder spendeten zum 30. Geburtstag des FED 1.000 Euro. „Auf den ersten Blick ist das vielleicht eine ungewöhnliche Konstellation. Aber dieses Angebot der Lebenshilfe kommt auch fußballbegeisterten Kindern und Jugendlichen zugute, die ohne die FED-Begleiter nicht zu den Spielen ihres Lieblingsvereins gehen könnten“, erklärt Florian Weber, der im Vorstand der Ahoi-Crew für die Pressearbeit zuständig ist. Da sich die Werder-Fans zudem bereits seit Jahren für soziale Projekte in der Hasestadt engagieren, sei die Konstellation gar nicht mehr ungewöhnlich, sondern sehr passend. „Wir werden das Geld zum Beispiel für Besuche im Stadion aber auch für einen Gruppenbesuch im Soccer-Center einsetzen“, erklärt Thomas Schmidt-Benkowitz, stellvertretender Vorsitzender der Lebenshilfe Osnabrück.
„Viele Menschen, die wir begleiten, sind Fußballfans“, betont auch Annette Pieper, Leiterin des FED. Sie freute sich über das spontane Angebot der Ahoi-Crew, einmal einen gemeinsamen Besuch bei Werder Bremen zu organisieren.
*Name von der Redaktion geändert
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